Zeitgemäße betriebliche Altersversorgung
Ende November 2020 fand das erste Mitgliedertreffen des Lurse Round Tables Rethinking Pensions statt. Führungskräfte der Versicherungswirtschaft mit Fokus auf die bAV diskutierten virtuell die brandaktuellen Themen
- Produktgestaltung in der bAV – Brauchen wir 100 % Werterhalt?
- Sozialpartnermodell quo vadis?
Insbesondere der Austausch über Garantien in der bAV war für die 10 Versicherungsexperten wertvoll. Eine gute Diskussionsgrundlage bildeten die folgenden beiden Fragestellungen:
- Hat die Beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ) unabhängig, ob arbeitgeber- oder arbeitnehmerfinanziert, eine Mindestgarantie?
- Was bedeutet Wertgleichheit in der bAV (100 %, 80 %, 60 %, …)?
Lesen Sie dazu im Folgenden die Standpunkte einiger Mitglieder zu diesen Fragen:
„Die anhaltende Niedrigzinsphase wird zu einem Umdenken in Bezug auf die Beitragsgarantien in der betrieblichen Altersversorgung führen müssen. Eine rechtliche Flankierung ist aus meiner Sicht dringend erforderlich.“
Jan Niebuhr, Mitglied des Vorstandes, ERGO Vorsorge Lebensversicherung AG
„Die juristische Diskussion um die erlaubte Garantiehöhe in der betrieblichen Altersversorgung sollte der Gesetzgeber schnellstmöglich konkretisieren. Nur ein stabiles und rechtssicheres Umfeld gibt Arbeitnehmern, Arbeitgebern sowie Anbietern in Deutschland das notwendige Vertrauen.“
Fabian von Löbbecke, Mitglied des Vorstandes, HDI Lebensversicherung AG
„Es gibt im Markt unterschiedliche Ansätze und Interpretationen wie eine Mindestgarantie auszulegen und umzusetzen ist. Unbestritten ist: Die 100 %-Garantie ist heute nicht mehr effizient und geht vor allem zulasten der Rentenanwartschaft der Mitarbeitenden. Daher ist eine Absenkung der Garantieanforderungen sinnvoll und sachgerecht.“
Lars Golatka, Bereichsvorstand Firmenkunden Leben und Pensionen, Zurich Gruppe Deutschland
„Die 90 % Beitragsgarantie findet aufgrund der höheren Ablaufwerte bei unseren Kunden hohen Anklang und kann als hinreichend rechtssicher betrachtet werden, auch in der Entgeltumwandlung. Die Gothaer bietet aber auch weiterhin die 100 % Beitragsgarantie an.“
Stefan Opel, Bereichsleiter, Gothaer Lebensversicherung
„Eine Absenkung der Beitragsgarantie ist dringend notwendig. Sie fördert Chancen in der Kapitalanlage und erhält die Attraktivität der betrieblichen Vorsorge.“
Michael Reinelt, Betriebliche Altersversorgung, Alte Leipziger Lebensversicherung
„Die aktuelle Kapitalmarktsituation erfordert ein Umdenken beim Garantieniveau, den Anlagemöglichkeiten, den Zusagearten und den damit verbundenen Produktstrategien in den versicherungsförmigen Durchführungswegen der betrieblichen Altersvorsorge. Eine schnelle und attraktive Lösung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer wäre die Einführung der reinen Beitragszusage, auch außerhalb eines Sozialpartnermodells.“
Daniel Strohbach, Leiter Vertriebsdirektion bAV, SV Sparkassenversicherung, Sprecher der Geschäftsführung, SV bAV Consulting GmbH
„In der bAV I Welt würde man sich mehr Aktivität wünschen, um ein an die aktuelle Zinssituation angepasstes Garantieniveau für die BZML zu definieren. Warum das (noch) nicht passiert, verstehe ich nicht. Hören wir doch immer die Bekenntnisse, die bAV fördern zu wollen. – Es wäre so einfach!“
Dr. Björn Achter, Leiter Firmenkunden Leben, Württembergische Lebensversicherung AG
In der zweiten Hälfte des Online-Treffens ging es um die Zukunft des Sozialpartnermodells. So wird die Zukunft des Sozialpartnermodells von den Mitgliedern des Round Tables Rethinking Pensions eingeschätzt:
„Die Versicherungsbranche hat ihre Hausaufgaben zur Umsetzung der bAV II Welt gemacht, die Sozialpartner haben natürlich aktuell ein paar andere Themen. Die Zukunft des Sozialpartnermodells ist für mich nach wie vor offen, aber ich befürchte, dass wir in die nächste rentenpolitische Debatte eintauchen, bevor wir das erste Sozialpartnermodell sehen. Hier scheint die Politik Reform auf Reform setzen zu wollen.“
Dr. Björn Achter, Leiter Firmenkunden Leben, Württembergische Lebensversicherung AG
„Die Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die neue bAV-Welt des Sozialpartnermodells war die logische Konsequenz auf das nachhaltig anhaltende Niedrigzinsumfeld. Das Ziel, den Menschen zu einem höheren zusätzlichen Alterseinkommen mit einem gleichzeitig hohen Maß an Sicherheit zu verhelfen, ist mit dieser Lösung zu verwirklichen. Der unfreiwillige Covid 19 Praxistest der Sicherungsmechanismen hat dies bewiesen. Damit das Sozialpartnermodell auch ein Erfolgsmodell wird, benötigt es jetzt Vertrauen und Mut auf allen Ebenen, von Gewerkschaft, Arbeitgeberverbände und auch der Politik.“
Lars Golatka, Bereichsvorstand Firmenkunden Leben und Pensionen, Zurich Gruppe Deutschland
„Das Sozialpartnermodell ist nicht gescheitert, der Start ist aber gleichzeitig nicht geglückt.“
Jan Niebuhr, Mitglied des Vorstands, ERGO Vorsorge Lebensversicherung AG
„Das Sozialpartnermodell ist die richtige Antwort auf das anhaltende Niedrigzinsumfeld, denn es wird für steigende Renten sorgen. Auch wenn der Weg zum ersten Sozialpartnermodell manchmal mühsam ist, lohnen die Anstrengungen – zum Wohle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland.“
Fabian von Löbbecke, Mitglied des Vorstandes, HDI Lebensversicherung AG
„Sozialpartnermodelle überzeugen aktuariell, investmentseitig (höherer Sachwertanteil möglich) und durch die höchste Rechtssicherheit für den Arbeitgeber. Es bleibt zu hoffen, dass die Sozialpartner, die in den nächsten Jahren eventuell drohende, privat finanzierte „Deutschland-Rente“ durch entsprechende Initiativen bei den betrieblich finanzierten Sozialpartnermodellen abwenden.“
Stefan Opel, Bereichsleiter, Gothaer Lebensversicherung
„Die Branche bekennt sich klar zum Sozialpartnermodell, jedoch ist die Tarifvertragsbindung ein Hindernis.“
Michael Reinelt, Betriebliche Altersversorgung, Alte Leipziger Lebensversicherung
Die Lurse-Perspektive
„Vor dem Hintergrund des aktuellen Null-/Niedrigzinsumfelds sowie der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung werden viele Unternehmen überlegen, wie betriebliche Altersversorgung kosteneffizienter, risiko- und chancenorientiert gestaltet werden kann. Dabei sind die Mitarbeiterwünsche nach Werthaltigkeit, Flexibilität und Einfachheit der bAV zu berücksichtigen. Hieraus ergeben sich sowohl für das Sozialpartnermodell als auch für bAV-Produkte mit reduzierten Garantien Marktchancen. Das Sozialpartnermodell und veränderte Garantien ermöglichen attraktive Renditechancen und eine verlässliche, effiziente bAV.“
Initiatoren des Round Tables Rethinking Pensions und Verfasser des Rückblicks
Matthias Edelmann, Managing Partner, Lurse
Utta Kuckertz-Wockel, Senior Managerin, Lurse