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Herausforderungen des heutigen Aktuariats

Herausforderungen des heutigen Aktuariats

Interview mit Rainer Bannör, Senior Manager, Aktuar (DAV/IVS) über die Herausforderungen des Aktuars in der betrieblichen Altersversorgung in Zeiten des Niedrigzinses und der Digitalisierung.

Herr Bannör, wie hat sich die Arbeit der Aktuare in den vergangenen Jahren verändert?

Die klassische Tätigkeit von Aktuaren besteht ja darin, mit Hilfe der Versicherungsmathematik Bilanzrückstellungen zu berechnen, etwa für die betriebliche Altersversorgung (bAV). Die fortschreitende Automatisierung hat diese Arbeit stark verändert. Arbeitsschritte, die früher viel manuellen Aufwand bedeutet haben, beanspruchen heute oft nur noch einen geringen Teil der Arbeitszeit. Alle rein technischen Prozesse – von der Verarbeitung der Grunddaten bis zur Erstellung eines versicherungsmathematischen Gutachtens – laufen heute idealerweise automatisch ab. Die Herausforderung für die Aktuare besteht immer mehr darin, diese automatisierten Abläufe zu implementieren. Man kann sagen, dass viele Aktuare heute fachlich stark spezialisierte Programmierer sind. Natürlich müssen wir immer wieder neue Anforderungen und Rahmenbedingungen umsetzen und spezifischen Kundenwünschen Rechnung tragen, die sich stark voneinander unterscheiden können. Darum benötigen wir vor allem eine hoch flexible Software, die individuelle Programmierungen erlaubt und die wir schnell auf den jeweiligen Kunden und seine speziellen Anforderungen abstimmen können.

Was ist der wesentliche Nutzen dieser kundenindividuellen Automatisierung?

Wenn die Automatisierung erfolgreich umgesetzt ist, ergeben sich daraus erhebliche Vorteile. Unter anderem ermöglicht sie es, wesentlich schneller zu reagieren als früher. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Änderungen beim Rechnungszins oder in den Ausgangsdaten es erforderlich machen, dass ein Gutachten kurzfristig neu erstellt wird. Dem Aktuar bleibt hierbei im Wesentlichen die wichtige Aufgabe der Qualitätssicherung. Da das gesamte Umfeld immer komplexer wird, nehmen darüber hinaus auch die aktuarielle Beratung der Kunden und die Koordination der Jahresabschlussprozesse immer größeren Raum ein. Der Umfang an Werten, die Aktuare ermitteln müssen, nimmt stetig zu. Daher ist ihr Aufgabengebiet trotz der Automatisierung keinesfalls kleiner geworden.

In welchen Bereichen besteht besonders viel Beratungs- und Koordinationsbedarf?

Soweit dabei Spielräume bestehen, ist die Festlegung der Bilanzierungsmethoden und der Bewertungsparameter immer wieder ein wichtiges Thema. Die Bestimmung von Rechnungszins, Einkommens- und Rentendynamik hat regelmäßig erheblichen Einfluss auf die Höhe der bilanziellen Rückstellungen. Daneben gibt es weitere Parameter und Stellschrauben, die je nach Ausgestaltung der bestehenden Verpflichtungen ebenfalls von großer Bedeutung sein können. Sie sind aber nicht immer auf den ersten Blick erkennbar.

Auch die Koordination der Jahresabschlussprozesse ist sehr komplex, weil die Zeit dafür meist sehr knapp bemessen ist und zahlreiche Akteure einbezogen werden müssen. Oft benötigen wir z. B. Daten von Versicherungen oder Marktwerte von Kapitalanlagen, die erst kurz vor dem Liefertermin für das Gutachten verfügbar sind. Um ein aktuarielles Gutachten termingerecht zu erstellen, müssen sich alle Beteiligten vorher unbedingt genau abstimmen. Hinzu kommt bei international tätigen Kunden die länderübergreifende Abstimmung. Dabei steht man praktisch in ständigem Kontakt mit Kollegen aus dem Ausland, und es ist sehr wichtig, dass man diese persönlich kennt. Wir bei Lurse können jederzeit auf solche erprobt zuverlässigen, internationalen Partner zurückgreifen. Nur so lässt sich bei Kundenanfragen zu ausländischen Pensionsverpflichtungen eine schnelle und kompetente Reaktion gewährleisten.

Der Rechnungszins hat einen besonders großen Einfluss auf die Rückstellungen. Wie gehen Sie mit dem aktuellen Zinsniveau um?

Zunächst besteht zumindest bei der Festlegung des Rechnungszinses für die Bilanzierung nach IFRS oder US-GAAP ein gewisser Spielraum. Hier kommt es darauf an, wie man die Methodik für die Zinsherleitung definiert. Wir können also verschiedene Methoden prüfen und dann diejenige auswählen, die sich für den jeweiligen Kunden am besten eignet. Je nach Marktsituation können unterschiedliche Methoden durchaus einen Unterschied von mehr als 0,5 Prozentpunkten beim Ergebnis ausmachen, also beim angesetzten Rechnungszins.

Das grundlegende Problem, dass die handelsrechtlichen Rückstellungen wegen der Niedrigzinspolitik stark angestiegen sind, lässt sich dadurch natürlich nicht lösen. Aus den sonstigen Bewertungsparametern ergeben sich oft noch Ansätze, um diesen Effekt etwas abzumildern. Darüber hinaus kann eine Umgestaltung der Pensionszusagen helfen, die Rückstellungen entweder sofort oder zumindest mittelfristig spürbar zu reduzieren. Diese Lösung fällt dann eher in den Bereich der allgemeinen bAV-Beratung. Für die Umsetzung werden aber natürlich auch die versicherungsmathematischen Berechnungen der Aktuare wieder gebraucht, um die Änderungseffekte zu bestimmen.

Das Interview führte Utta Kuckertz-Wockel.

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