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BMF-Schreiben vom 02.05.2022

BMF-Schreiben vom 02.05.2022

Neue Regeln zur Festlegung der Endalter bei der Bewertung von Pensions- und Jubiläumsrückstellungen (IV C 6 – S 2176/20/10005)

Das BMF-Schreiben vom 02.05.2022 revidiert die bisher von der Finanzverwaltung vertretene Ansicht, dass bei der Bewertung von Pensionsrückstellungen nach § 6a EstG für alle bei einem Arbeitgeber gegenüber einem Arbeitnehmer bestehenden Zusagen ein einheitliches Finanzierungsendalter festzulegen ist. Das verwendete Endalter kann durchaus einen wesentlichen Einfluss auf die Höhe der steuerlichen Pensionsrückstellung von Anwärtern haben. Je niedriger es angesetzt wird, desto früher muss die rechnerische Finanzierung der Pensionszusage abgeschlossen sein und desto früher wird der Beginn der Zahlungen von Altersleistungen unterstellt. In vielen Fällen führt ein niedrigeres Endalter für Anwärter zu einer höheren Pensionsrückstellung. Welche Auswirkungen für eine bestimmte Pensionszusage zu beobachten sind, hängt aber u. a. von der Höhe der verwendeten Abschläge bei vorzeitigem Bezug der Altersleistung ab und auch davon, wie die Dienstzeitabhängigkeit der Leistungen in der konkreten Zusage ausgestaltet ist.

Die bisherige Ansicht der Finanzverwaltung zum Thema Endalter findet sich im Wesentlichen in den Einkommensteuerrichtlinien (R 6a Abs. 11 EStR). Dort wird festgelegt, dass vom Grundsatz her bei der Bewertung von Pensionsrückstellungen nach § 6a EStG das vertraglich vereinbarte Pensionsalter zugrunde zu legen ist, vgl. R 6a Absatz 11 Satz 1 EStR. Die Finanzverwaltung ermöglicht allerdings mit dem ersten bzw. zweiten Wahlrecht eine von diesem Grundsatz abweichende Festlegung des Endalters, vgl. R 6a Absatz 11 Satz 2 bzw. 3 EStR. Bei der Ausübung des ersten Wahlrechts darf der Steuerpflichtige von einem höheren Alter ausgehen, dafür muss allerdings mit einer Beschäftigung des Arbeitnehmers bis zu diesem Zeitpunkt gerechnet werden können. Beim für die Praxis deutlich relevanteren zweiten Wahlrecht kann als Endalter der Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung angenommen werden. Voraussetzung hier ist, dass in der Pensionszusage festgelegt ist, in welcher Höhe Versorgungsleistungen von diesem Zeitpunkt an gewährt werden. Das Unternehmen muss nach Ansicht der Finanzverwaltung bei der einmal getroffenen Wahl bleiben, und für verschiedene Versorgungsberechtigte können die Wahlrechte unterschiedlich ausgeübt werden. Bisher ging die Finanzverwaltung allerdings davon aus, dass die gegenüber einem Berechtigten getroffene Wahl einheitlich für die gesamte Pensionsverpflichtung einschließlich eventueller Entgeltumwandlungen gilt, vgl. R 6a Absatz 11 Satz 10 EStR.  Die Finanzverwaltung ging in der Vergangenheit auch dann von einer einheitlichen Festlegung des Endalters aus, wenn der Steuerpflichtige keines der beiden Wahlrechte ausgeübt hat.

Mit dem Urteil vom 20.11.2019 (XI R 42/18) hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) gegen diese Ansicht ausgesprochen. Im dort verhandelten Fall bestanden für einzelne Mitarbeiter des betroffenen Unternehmens neben einer arbeitgeberfinanzierten Zusage auch mehrere im Rahmen der Entgeltumwandlung erteilte Zusagen mit unterschiedlichen vertraglichen Endalter. Das Unternehmen hatte keines der beiden erwähnten Wahlrechte ausgeübt, es wurde jedoch kein einheitliches Endalter verwendet, sondern es wurde für jede der arbeitnehmerfinanzierten Zusagen der jeweils im Rahmen der Entgeltumwandlung vereinbarte Leistungsbeginn zugrunde gelegt. Der BFH stellt im 2. Leitsatz des Urteils fest, „dass bei verschiedenen gegenüber einem Arbeitnehmer im Rahmen einer Entgeltumwandlung jeweils erteilten Pensionszusagen mit jeweils unterschiedlichen Pensionsaltern hinsichtlich des jeweiligen Finanzierungsendalters auf den in den einzelnen Zusagen festgelegten Leistungszeitpunkt abzustellen ist“. In der Urteilsbegründung führt der BFH aus, dass in der geschilderten Situation jede der Zusagen steuerlich als eigenständig anzusehen ist und dass insbesondere die Festlegung eines einheitlichen Finanzierungsendalters nicht in Frage kommt, wenn wie hier die Grundsatzregel nach R 6a Absatz 11 Satz 1 EStR angewendet wird. Ob es auch möglich ist, die Wahlrechte für verschiedene Zusagen gegenüber einem Versorgungsberechtigten unterschiedlich auszuüben, wurde durch das Urteil nicht abschließend geklärt. Da der BFH davon ausgeht, dass „jede Pensionsverpflichtung als Wirtschaftsgut für sich zu behandeln ist“, ist zu vermuten, dass für den BFH eine unterschiedliche Ausübung der Wahlrechte zulässig ist.

Das BMF-Schreiben vom 02.05.2022 ist eine Reaktion auf das besprochene BFH-Urteil, seine Regelungen gehen aber über den dort verhandelten Sachverhalt hinaus. Es wird im BMF-Schreiben festgestellt, dass die Grundsätze des BFH-Urteils in allen noch offenen Fällen anzuwenden sind. Das BMF geht zusätzlich noch auf zwei weitere Punkte genauer ein.  Für die Bewertung der Pensionsrückstellungen nach § 6a EStG wird festgestellt, dass die Regelung des R 6a Absatz 11 Satz 10 EStR nicht weiter anzuwenden ist und dass insbesondere das zweite Wahlrecht für unterschiedliche Pensionszusagen unabhängig voneinander ausgeübt werden darf. Es ist davon auszugehen, dass dies auch für das erste Wahlrecht gelten sollte, obwohl dieses nicht explizit angesprochen wird. Für schon bestehende Zusagen sieht das BMF-Schreiben die Möglichkeit vor, das zweite Wahlrecht erneut auszuüben, allerdings nicht pauschal für alle Zusagen, sondern lediglich für solche, bei denen „das Pensionsalter unter Bezugnahme auf R 6a Absatz 11 Satz 10 EStR in Übereinstimmung einer weiteren gegenüber dem Berechtigen erteilten Zusagen angesetzt“ wurde.  Hier wird in der Praxis noch zu klären sein, welche Zusage durch diese Formulierung genau betroffen sind. Bei enger Auslegung handelt es sich tatsächlich nur um solche Fälle, bei denen unter Ausübung eines der beiden Wahlrechte ein einheitliches Endalter festgesetzt wurde. Bei einer etwas weiteren Auslegung ist es u.U. auch möglich, das zweite Wahlrecht erstmalig für Fälle auszuüben, bei denen zuvor die Grundsatzregel mit einem einheitlichen Endalter für mehrere Zusagen angewandt wurde. Je nach Ausgestaltung der Zusagen kann sich durch eine Änderung der Endalter eine Erhöhung oder Verringerung der steuerlichen Pensionsrückstellungen ergeben. In vielen Fällen werden die Auswirkungen allerdings eher überschaubar sein. Für die betroffenen Zusagen existiert laut BMF-Schreiben eine Übergangsregelung: das zweite Wahlrecht kann spätestens in der Bilanz des nach dem 29. Juni 2023 endenden Wirtschaftsjahres einmalig neu ausgeübt werden oder eine frühere Ausübung dieses Wahlrechts zurückgenommen werden. Dem reinen Wortlaut nach scheint eine Änderung aber nicht verpflichtend zu sein.

Das BMF-Schreiben geht als weiteren Punkt auf die Festlegung des Endalters bei der Bewertung von Jubiläumsrückstellungen ein. Die bisherige Regelung gemäß dem BMF-Schreiben vom 08.12.2008 sieht als Grundsatz vor, dass als Endalter das dienstvertragliche Pensionsalter festzulegen ist, spätestens jedoch die jeweilige Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung. Sofern allerdings eine Pensionszusage für den Berechtigen beim selben Arbeitgeber besteht, sollte bisher dasselbe Endalter berücksichtigt werden, das für die Pensionszusage verwendet wird. Diese Kopplung des Finanzierungsendalter an eine bestehende Pensionszusage wird nun durch das neue BMF-Schreiben vom 02.05.2022 aufgehoben. In Zukunft darf ausschließlich die bisherige Grundsatzregelung angewandt werden.  Für die Neuregelung bzgl. der Jubiläumsverpflichtungen sieht das BMF-Schreiben keine Übergangsfrist vor, sie ist also sofort anzuwenden.  Die Auswirkungen der Neuregelung sind hier anders als bei den Pensionsverpflichtungen. Bei den Jubiläumsverpflichtungen führt ein Übergang auf ein höheres Endalter, z. B. bei Wechsel von einem vorgezogenen Alter auf das dienstvertragliche Pensionsalter bzw. auf die Regelaltersgrenze, in der Regel zu einer höheren steuerlichen Jubiläumsrückstellung, da u. U. zusätzliche Jubiläumsleistungen einzubeziehen sind.  Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist aber für Jubiläumsverpflichtungen auf Einzelebene die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz zu beachten, vgl. R 6.11 Abs. 3 EStR. Dies bedeutet, dass die steuerliche Rückstellung auf den handelsbilanziellen Wert zu kürzen ist und dass u. U. nur ein Teil der durch die Neuregelung bedingten Erhöhung tatsächlich angesetzt werden kann. In diesem Zusammenhang könnte überlegt werden, nach Absprache mit den Wirtschaftsprüfern auch in der Handelsbilanz für die Jubiläumsverpflichtungen dasselbe Endalter wie in der Steuerbilanz anzusetzen. Dies sollte nach IDW RS HFA 38, Tz. 15 möglich sein.

Fazit und Empfehlung: Die Neuregelungen im BMF-Schreiben vom 02.05.2022 führen zu einer höheren Rechtsicherheit und sind deshalb grundsätzlich zu begrüßen. Wir unterstützen Sie gerne bei der Überprüfung, welche Zusagen von den Änderungen des BMF-Schreibens betroffen sind und können für Sie selbstverständlich auch die Auswirkungen der Änderungen der Endalter auf Ihre steuerlichen Rückstellungen ermitteln. Es sollte u. U.  in Rücksprache mit den Wirtschaftsprüfern zusätzlich über eine entsprechende Anpassung der Endalter in der Handelsbilanz nachgedacht werden. Wenden Sie sich bzgl. dieser Empfehlungen bitte an den/die für Sie zuständigen Ansprechpartner:in bei Lurse.

Nils Saßmannshausen, Aktuar (DAV/IVS) bei Lurse

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